50 Jahre KTG

Berlin, 14.04.2019

Die Kerntechnische Gesellschaft e. V. (KTG) wurde am 14. April 1969 zunächst als Kerntechnische Gesellschaft im Deutschen Atomforum e. V. (DAtF) in Frankfurt am Main gegründet. Bei der Gründungsversammlung in der Aula der Universität Frankfurt traten 163 Mitglieder bei. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Wolf Häfele gewählt.

Die Mitgliederversammlung des DAtF stimmte am 28. November 1978 in Bonn einer Satzungsänderung zu, der zufolge die bisher in das DAtF eingegliederte KTG ein eigener eingetragener Verein wurde. Eine weiterhin enge Zusammenarbeit zwischen beiden Organisationen sollte unverändert bestehen bleiben.

 

Zum 50. Geburtstag kommen der Vorsitzende der KTG, Frank Apel, sowie der Sprecher der Jungen Generation (JG) der KTG, Dr. Florian Gremme, zu einem gemeinsamen Gespräch mit der atw in Berlin zusammen.

[Das ganze Interview als PDF finden Sie hier]

 atw:

50 Jahre – Ein Geburtstag, an dem man sowohl zurück als auch nach vorne schaut. Herr Apel, wenn Sie Ihren Blick einmal zurück schweifen lassen: In welchem Umfeld hat sich die KTG damals gegründet?

 Apel:

Herr Schneibel, Sie erwähnten im Eröffnungsgespräch zwei Jahreszahlen aus der Geschichte der KTG: 1969 als Gründungsjahr der KTG im DAtF und 1978, als die KTG ein eigener eingetragener Verein wurde.

Wie sah es um die deutsche Kerntechnik in diesen Jahren aus?

Nach einer erfolgreichen Inbetriebnahme wurde 1969 das Kernkraftwerk Obrigheim an den Kunden übergeben. Innerhalb von zehn Jahren wurde die Leistung der DWR-Kraftwerke vervierfacht: beginnend mit Obrigheim (300 MWe) über Stade (600 MWe) zu Biblis A (1200 MWe). In der Zeit zwischen 1969 und 1978 wurden Aufträge für 10 DWR und 7 SWR-Anlagen vergeben, Kraftwerke, die in Deutschland und im Ausland errichtet wurden. Zunehmender Wettbewerbsdruck aus dem Ausland, notwendige signifikante Investitionen in Fertigungskapazitäten und ein hoher Finanzbedarf für Entwicklungsprogramme führten zu einer Bündelung der Kernkraftwerksaktivitäten der AEG und SIEMENS: 1969 wurde die Kraftwerk Union Aktiengesellschaft (KWU) gegründet. Bewegte Zeiten, Aufbruchsstimmung aber auch der Beginn kritischer Gegenfragen. Zum Ende der beschriebenen Periode war in Deutschland auch die Verlängerung von Errichtungszeiträumen durch eine Vielzahl von zusätzlichen Auflagen in den zahlreichen Teilerrichtungsgenehmigungen und aufgrund unklarer politischer Rahmenbedingungen zu verzeichnen. Es wuchs die Verunsicherung gegenüber der Kernenergie in der deutschen Öffentlichkeit. Kernenergie-Gegner monierten den Atomstaat, unsichere Kernkraftwerke, ungelöste Entsorgungsfragen und stellten die Wirtschaftlichkeit in Frage. Auf diese politischen und teilweise polemischen Fragestellungen wurde mit technischer Kompetenz geantwortet. Die Tatsache, dass wir in Deutschland die sichersten Kernkraftwerke der Welt betreiben ist auch das Ergebnis eines kritischen Diskurses und einem Genehmigungsverfahren, das von fachlich äußerst versierten sowie unabhängigen Behörden und Gutachtern in der Erteilung und von kompetenten Antragstellern der Genehmigung vollzogen wurde.

 atw:

Der erste Vorsitzende der KTG, Professor Häfele, sagte bei ihrer feierlichen Gründung 1969: „Die Kerntechnische Gesellschaft wird ihr Ziel, nämlich allen in der Kerntechnik Tätigen wissenschaftlicher Heimathafen und Mittel der Förderung der Kerntechnik zu sein, mit Ernst und Zielbewusstheit verfolgen.“

Herr Gremme, Sie sind Sprecher der JG, also all jenen Studierenden und Young Professionals, die ein gemeinsames Interesse an der Kerntechnik haben. Wird die KTG im Jahr 2019 diesem Grundgedanken immer noch gerecht?

 Gremme:

Ja, ich denke schon, dass die KTG diesem Grundgedanken gerecht wird und jedem Interessierten Möglichkeiten bietet sich zu informieren, auszutauschen und einzubringen. Zentral sehe ich hier das jährliche AMNT als Plattform an. Vertreter aus Lehre, Forschung und Industrie präsentieren hier ihre Arbeiten und sind daran interessiert, durch neue Kontakte und Vorträge ihren Horizont und ihr Wissen zu erweitern. Besonders für Studierende und Young Professionals bietet sich hier die Gelegenheit mit Personen aus anderen Bereichen der Kerntechnik in Kontakt zu kommen. Dies gilt sowohl für den fachlichen Austausch in Form von Vorträgen oder Diskussionen als auch für junge Leute, die sich auf der Jobsuche befinden – bei der Orientierung zu Joboptionen, sei es in der Industrie oder Forschung, hilft es sehr, wenn man ein Gesicht vor Augen hat, das man Themen oder einem Arbeitgeber zuordnen kann. Dies bringt meiner Ansicht nach einen Sympathiegewinn mit sich und das wirkt hinsichtlich der Motivation von Menschen für die Faszination Kerntechnik.

 Apel:

Da stimme ich Herrn Gremme zu. Professor Häfeles Beschreibung der KTG als gemeinsamer kerntechnischer „Heimathafen von Wissenschaft und Technik“  ist ein schönes Bild und hat bis heute so Bestand.

Werner von Siemens beschrieb den Zusammenhang von Wissenschaft und Technik übrigens wie folgt: „Die naturwissenschaftliche Forschung bildet immer den sicheren Boden des technischen Fortschritts, und die Industrie eines Landes wird niemals eine internationale, leitende Stellung erwerben und sich selbst erhalten können, wenn das Land nicht gleichzeitig an der Spitze des naturwissenschaftlichen Fortschritts steht.“

 atw:

Wie erwähnt ist das AMNT sicherlich die zentrale Veranstaltung der Branche in Deutschland. Was bietet insbesondere die JG darüber hinaus noch an, um ihr Netzwerk weiter auszubauen und neue Kontakte herzustellen? Immerhin bündelt sich in ihr der kerntechnische Nachwuchs.

 Gremme:

Einen Gewinn von Kontakten und damit Nahbarkeit zu schaffen versuchen wir zudem auch mit unseren regelmäßigen Kamingesprächen mit Führungskräften aus der kerntechnischen Branche und unserer jährlichen Nachwuchstagung. Das Netzwerk ist also ein ganz zentrales Element, das wir als JG der KTG knüpfen möchten. Dies zum einen zu potentiellen Arbeitgebern z.B. in den Kamingesprächen, zum anderen unter uns jungen Leuten selbst bei der Nachwuchstagung. Dabei steht der fachliche Austausch keineswegs hinten an. Wir adressieren hier thematisch die aktuellen und zukünftigen Themen in der Kerntechnik aber auch weitere Anwendungsgebiete wie die Medizintechnik. Bei unseren letzten beiden Nachwuchstagungen haben wir Rückbaustandorte besucht, den Mehrzweckforschungsreaktor in Karlsruhe im Jahr 2017 und das Atomei in Garching bei München im letzten Jahr. Zudem haben wir hier einen Fokus auf Forschungsaktivitäten und strahlentherapeutische Anwendungen gelegt. Das Wiedersehen und Kennenlernen untereinander bleibt dabei natürlich nicht aus.

 atw:

Und wie groß ist hierbei das Interesse? Wie erreichen Sie die Interessierten?

 Gremme:

Diese Möglichkeiten bieten sich, wie anfangs erwähnt, allen Interessierten. Eine größer gewordene Hürde ist es diese Interessierten zu finden bzw. Interesse und Motivation zu wecken. Da müssten sich die KTG und das AMNT besonders für junge Leute attraktiver präsentieren. Ich denke, dass die KTG alle notwendigen Themen und Möglichkeiten hat und bietet, diese müssen die jungen Leute nur sichtbar und nahbar erreichen. Wir versuchen dies u.a. mit den Kamingesprächen, der Nachwuchstagung und für einen ersten Kontakt für Schüler mit dem Campus Kerntechnik im Rahmen des AMNT. Auf dem Campus möchten wir die Faszination Kerntechnik vermitteln und die ein oder andere Schülerin bzw. Schüler für ein nachhaltiges Interesse an der Kerntechnik gewinnen. Für unsere gesamte Informationsvermittlung nutzen wir zudem auch Facebook und Instagram. Eine Tatsache der man sich stellen muss, um heutzutage Informationen an junge Menschen zu vermitteln ist, dass junge Leute sich hauptsächlich über die sozialen Medien informieren. Hier kann die KTG denke ich noch etwas tun, um so Interesse und Motivation zu wecken. Dabei geht es nicht um möglichst hohe Klickzahlen, sondern um zielgruppenorientierte Nutzung von Kanälen zur nachhaltigen Informationsvermittlung, mit denen man Interessenten auf die Angebote der KTG lenken kann.

All unsere Aktivitäten zielen auf den fachlichen kerntechnischen Austausch und auf die Bildung von Netzwerken ab. Dies sind aus meiner Sicht wesentliche Benefits einer Mitgliedschaft in der KTG.

 atw:

Wie bewerten Sie die Vorteile einer KTG-Mitgliedschaft, Herr Apel? Gerade die Generation der 1980er und 90er Jahre wird oftmals als die „Generation Y“ (Why?) bezeichnet, also jene Generation, die vieles kritisch hinterfragt. Wie schaffen Sie es, diese Gruppe für eine Mitgliedschaft in der KTG zu überzeugen? Welchen Mehrwert bringt die Teilnahme am Vereinsleben?

 Apel:

Vieles in unserer Verbandsarbeit läuft richtig toll. Wir haben viele engagierte Ortssektionen, die spannende Vorträge und Exkursionen organisieren. Unsere Fachsektionen mobilisieren eine breite Teilnehmerschaft an hochinteressanten Fachtagungen und die JG trifft sich, wie von Herrn Gremme eben gehört, regelmäßig zu Exkursionen, Vorträgen und zum „Netzwerken“.

In vielen Gesprächen mit Mitarbeitern der Kerntechnik (KTG-Mitglieder und Nicht-Mitglieder) wurde EINE Frage bezüglich der Mitgliedschaft in unserem Verband am häufigsten gestellt: „Was ist drin für MICH?“. Die Frage nach unserem „Mehrwert“ müssen wir zukünftig noch besser und mit mehr „Inhalt“ beantworten. Mitglieder und potentielle Mitglieder - viele auch aus der mir persönlich gut bekannten „Generation Y“, auf die wir übrigens stolz sein können - suchen Überschriften, wofür die KTG steht. Die „friedliche Nutzung der Kernenergie“ ist als Rahmen sicherlich korrekt.

Aber können wir KTG-Mitglieder in unserem Land – auch wenn der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen ist - nicht eine persönliche, technisch fundierte Meinung haben und vertreten, die weiter geht? Ich denke schon. Dazu müssen wir uns weiter vernetzen und austauschen: traditionell über „unsere Seiten“ in der atw, unsere Homepage aber auch über Social Media.

 atw:

Wie ist die Situation in der JG, Herr Gremme? Sie haben eben ja bereits die Benefits einer Mitgliedschaft angesprochen. Möchten sich junge Leute in Ihrer Freizeit überhaupt noch berufsnah einbringen?

 Gremme:

In dieser Generation, zu der ich laut Geburtsjahr auch zähle, wird viel Wert auf einen Ausgleich zwischen beruflicher Tätigkeit und Freizeit gelegt. Der Job ist hauptsächlich dazu da die freie Zeit gestalten zu können und ist vielleicht weniger Berufung oder Teil dessen, womit man sich identifizieren möchte – letzteres aber nur als Vermutung. Ich denke viele haben daher einen Vorbehalt gegenüber einer Aktivität in einem Verein wie der KTG, da es der beruflichen Tätigkeit sehr nah ist. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man in unserer multimedialen Welt mit Informationen und Benachrichtigungen überschwemmt wird. Viele Prozesse laufen zudem beschleunigt ab, wodurch im Vergleich zu früher mehr in gleicher Zeit erledigt werden kann und muss. Vielleicht ist das ein Faktor, weshalb sich jemand aus der „Generation Y“ vor einer weiteren berufsnahen Aktivität scheut.

Dabei lernt man im Vereinsleben und bei der Vereinsarbeit eine Menge, was einem sowohl beruflich als auch privat helfen kann. Wesentliche Benefits einer Mitgliedschaft in der KTG sind zum einen das Netzwerk, ganz einfach durch das Kennenlernen anderer Menschen, der fachliche Austausch und auch die Methoden und Abläufe, die man z.B. bei der Organisation von Aktivitäten lernt.

Wir versuchen jungen Leuten genau diese Vorteile aufzuzeigen und sie durch die nahbare Darstellung unserer Aktivitäten davon zu überzeugen. Hier spielt sich viel auf zwischenmenschlicher Ebene ab und dadurch kann man auch neue Interessenten gewinnen.

 atw:

Die kerntechnische Branche hat in den vergangenen Jahrzehnten Höhen und Tiefen erlebt. Die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung wird in Deutschland mit Ablauf des Jahres 2022 Geschichte sein. Auf der anderen Seite zeigt die Kerntechnik ihre vielfältigen weiteren Anwendungsmöglichkeiten. Sei es die Grundlagenforschung zur Kernfusion, wie sie beispielsweise in Greifswald stattfindet, oder auch Anwendungen in Medizin, Industrie und Forschung. Spüren Sie, Herr Gremme, dass sich bei der JG das Interessengebiet der Mitglieder diesbezüglich ändert?

 Gremme:

Einen wirklichen Ruck einer Änderung des Interessengebiets der JG habe ich bisher nicht gespürt. Viele JG-Mitglieder kommen beruflich bedingt aus dem Gebiet der energetischen Nutzung der Kerntechnik. Das heißt allerdings nicht, dass kein Interesse für Themen wie die Nutzung der Kerntechnik in der Medizin oder forschungsorientierte Themen wie Fusionstechnologie besteht. Von den Teilnehmern unserer Nachwuchstagung kam hier positives Feedback bzgl. der Themenauswahl. Allerdings müssen wir feststellen, dass insgesamt die Resonanz für Aktivitäten nachlässt. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben und wir versuchen herauszufinden welche dies sind. Zum einen werden wir älter, wodurch interessierte und aktive JG-Mitglieder die JG altersbedingt verlassen und die Gewinnung neuer Mitglieder zuletzt leider schwer ist. Hier müssen die Benefits einer Mitgliedschaft deutlicher gemacht und zielgruppenorientierter platziert werden, um die Faszination Kerntechnik zu vermitteln.

 atw:

Und wie sieht es bei der KTG im Allgemeinen aus, Herr Apel? Einige Mitglieder sind ja quasi seit der ersten Stunde mit dabei. Wie werden sich die Mitglieder zukünftig identifizieren?

 Apel:

Die KTG ist eine wissenschaftlich-technische Vereinigung, unser Verein ist die „Heimat“ der in der Kerntechnik in Deutschland Beschäftigten. Wir legen unseren Fokus nicht auf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, dieses Feld wird durch das DAtF abgedeckt. Wir Mitglieder der KTG wollen gemeinsame Werte schaffen, uns verbindet die gemeinsame Identität: der „Faszination Kerntechnik“. Die Anwendungsfälle der Kerntechnik sind mannigfaltig. Oft denken wir nur an Kernkraftwerke, deren Betrieb oder den Rückbau sowie die damit verbundenen Entsorgungsfragen. Aber da gibt es noch viele weitere Anwendungsfälle außerhalb der Energiewirtschaft z. Bsp. in der Medizin oder der Werkstofftechnik. Schauen Sie sich unseren Film  „Vielkönner Kerntechnik“ an und lassen Sie sich von unserer Faszination anstecken.

 atw:

Sie haben es gerade angesprochen. Die Hauptaufgabe eines wissenschaftlich-technischen Vereins besteht zweifelsohne darin, kritischer Förderer der von ihm vertretenen Wissenschaft und Technik zu sein. Die Diskussionen um die Verantwortbarkeit der Kernenergie haben im Laufe der Zeit Dimensionen erreicht, die es den KTG-Mitgliedern immer schwerer machen, sich aus entsprechenden politischen Diskussionen herauszuhalten. Wie geht die KTG damit um?

 Gremme:

Aus meiner Sicht sollten wir als KTG vorsichtig mit politischen Statements sein, da unsere Hauptaufgabe als Verein, wie Sie in der Frage bereits formuliert haben, nicht Politik ist. Nichtsdestotrotz kann und sollte die KTG mit großem Know-How in den eigenen Reihen und als großer kerntechnischer Verein einzelner Personen in Deutschland Gebrauch seiner Stimme machen und faktenorientierte Statements zu energietechnischen Entwicklungen geben. Man muss allerdings deutlich darauf achten nicht in politische Orientierungen oder Parteiprogramme gerückt zu werden.

 Apel:

Die KTG beabsichtigt auch weiterhin keine politische Positionierung. Eine zielorientierte Kommunikation, mit „Mehrwert“ für unsere Mitglieder, muss die Attraktivität unseres Verbandes verbessern. Wir werden in der Zukunft unseren technisch fundierten Standpunkt zu aktuellen Themen deutlich und ohne politische Polemik in unseren KTG-Foren, wie dem Internet oder der atw kundtun. Auch wenn „WIR“ in der KTG sehr verschieden sind, haben „WIR“ gemeinsame Interessen und Ziele. Und dazu müssen „WIR“ unseren Dialog untereinander aber auch mit unseren „Brüdern im Geiste“ verbessern.

Auch wenn ein großer Teil unserer Mitglieder noch im Arbeitsleben steht, müssen wir - mit unserer privaten Mitgliedschaft in der KTG – nicht zwangsläufig nur die Interessen unserer Arbeitgeber-Firmen vertreten, sondern wir können über den Tellerrand herausschauen. So habe ich auf der vorletzten Mitgliederversammlung der KTG meine persönlichen  Ansichten zur Kerntechnik vorgestellt:

·         Ich bin für eine Laufzeitverlängerung der europäischen Atomkraftwerke im Sinne einer „Unterstützung der Energiewende“ - wenn eben z. Bsp. die Stromtrassen doch nicht so schnell fertig werden - und einem „Mittel zur CO2-Reduzierung“.

·         Ich bin für einen Neubau von Kernkraftwerken z. Bsp. der nächsten Generation in Deutschland und Europa. Dies müssen aber unsere Kinder und Enkel – also die nächste(n) Generation(en) – auch so wollen.

·         Ich bin für einen effizienten und zügigen Rückbau der abgeschalteten Anlagen in Deutschland.

·         Ich bin für eine freie, breite und ausreichend ausgestattete Grundlagen- und Anwendungsforschung zu allen kerntechnischen Fragestellungen.

·         Ich bin für eine fortgesetzt aktive konstruktive Beteiligung Deutschlands an internationalen Entwicklungen in der Kerntechnik und der Einbringung des deutschen Know-hows und der deutschen Standards in die internationale Sicherheitsentwicklung.

 atw:

Gerade ihr letzter Punkt scheint bei den KTG-Mitgliedern ebenfalls von großem Interesse zu sein. Der im vergangenen Jahr neu gegründeten Fachgruppe „Internationale Entwicklung innovativer Reaktorsysteme“ haben sich direkt weit über 200 Mitglieder angeschlossen. Wie wird die KTG ihren Blick künftig international ausrichten?

 Apel:

Es gibt gute Gründe, die internationale Entwicklung innovativer Reaktorsysteme, der Fusionstechnologie oder aber innovativer Entsorgungstechnologien – auch außerhalb Deutschlands - zu verfolgen:

Ein vollständiger Ausstieg aus der Kernenergie ist international die große Ausnahme und nicht die Regel. Der deutsche Verzicht auf Stromerzeugung aus Kernenergie ist nicht mit einem völligen Ausstieg aus der Technologie gleichzusetzen, noch haben wir einen fortlaufenden Betrieb und den sicheren Nachbetrieb der Anlagen vor uns. Es gibt kommende Aufgaben beim Rückbau der Kernkraftwerke und der Entsorgung der Abfälle.

Deutschland ist ein Land der Spitzenforschung, das Forschungsreaktoren betreibt und in internationalen Nuklearforschungsprogrammen mitarbeitet. Deutschland hat einzigartige wissenschaftliche und industrielle Fähigkeiten in der Kerntechnik zu deren langfristigen Erhalt eine ausreichend große kritische Masse von deutschen Herstellern, ihren Zulieferern und Dienstleistern notwendig ist. In unserem Land wurden und werden die verlässlichsten Kernkraftwerke und kerntechnischen Anlagen betrieben, nicht zuletzt, weil eine jahrzehntelange kritische Diskussion über die Kernenergie zu sehr hohen Sicherheitsstandards und zu einer hoch entwickelten Sicherheitskultur geführt hat.  Auf dieser Grundlage setzt sich die Bundesregierung in der EU und weltweit für ein hohes nukleares Sicherheitsniveau ein. Dieses Interesse wird langfristig bestehen, da die Mehrzahl der anderen Staaten, die Kernenergie nutzen, keinen Ausstieg anstreben. Ohne eine eigene kerntechnische Industrie, die in eine entsprechende Forschungslandschaft eingebettet ist, wird es aber nicht möglich sein, weiter eine treibende Kraft kerntechnischer Sicherheit weltweit zu sein.

 Gremme:

Ich unterschreibe die Ausführungen von Herrn Apel und denke, dass die Entwicklung dieser Fachgruppe unterstreicht, dass die KTG-Mitglieder an der Faszination Kerntechnik und an zukünftigen Perspektiven interessiert sind. Als JG sind wir im Wesentlichen durch zwei Netzwerke international verknüpft. Dies ist zum einen das Young Generation Network (YGN) der European Nuclear Society (ENS) und zum anderen der International Youth Nuclear Congress (IYNC), eine Konferenz, die mit weltweiter Beteiligung organisiert wird und auch weltweite Teilnehmer hat. Der nächste IYNC findet im Jahr 2020 in Australien statt. Sowohl hier als auch auf der Europäischen Konferenz des YGN, dem European Nuclear Young Generation Forum (ENYGF) planen wir als KTG JG vertreten zu sein und ermutigen die JG-Mitglieder daran teilzunehmen. Das ENYGF findet dieses Jahr vom 23. – 27. Juni in Gent statt.

Das sog. Core Committee des ENS YGN trifft sich dreimal im Jahr um sich über die nationalen Aktivitäten zu informieren und gemeinsame Aktionen zu organisieren. Hier vertreten wir unsere Interessen und wirken an der Planung von Aktivitäten mit. Zudem nehmen wir hierdurch an Aktionen wie dem Nuclear Pride Fest oder den Weltklimakonferenzen teil. Hier unterstützen wir z.B. die Initiative „Nuclear for Climate“.

 atw:

Herr Gremme, Sie haben mehrjährige Erfahrung in der Forschung im kerntechnischen Bereich, genauer gesagt in der Reaktorsicherheitsforschung, an der Ruhr-Universität Bochum vorzuweisen. Damit gehören Sie zu jenem Personenkreis, dessen Arbeit die Bundesregierung jüngst in ihrem Energieforschungsprogramm als wichtig erachtet. Was würden Sie einem jungen Menschen, der sich für eine Karriere in der Kerntechnik interessiert, mit auf den Weg geben?

 Gremme:

Ich denke, dass man in der Kerntechnik viele faszinierende Bereiche eines Maschinenbaustudiums vertieft bearbeitet und diese in vielen Bereichen sowohl der Forschung als auch der Industrie direkt anwenden kann. Die Kerntechnik stellt immer noch Hightech der thermischen Energieumwandlung dar. Wenn man sich also für Thermodynamik, Wärme- und Stoffübertragung und/oder Strömungsmechanik interessiert, findet man diese Thematiken an vielen Stellen in der Kerntechnik wieder, z. B. bei der Modellierung von Wärmeübertragern oder atmosphärischer Strömungen. In der Reaktorsicherheitsforschung geht es im Speziellen zum einen um die Modellierung von Phänomenen, die während eines Störfalls in Kernkraftwerke auftreten können. Die auftretenden Phänomene, wie Oxidationen, also chemische Reaktionen, Wärmeübertragungs- und Strömungsprozesse als auch Verlagerung von Materialien treten dabei z.T. stark in Wechselwirkung. Dadurch lernt man viel über die Einzelphänomene, bekommt aber vor allem auch einen integralen Blick für die Einflüsse der Prozesse untereinander. Ich denke, durch diese umfänglichen vertieften Betrachtungen wird man auch bestens ausgebildet, das Gelernte auf andere Bereiche der Energietechnik zu übertragen.

Zum anderen werden in der Reaktorsicherheitsforschung aber auch neue Systeme entwickelt, die zur Wärmeabfuhr aus dem Brennelementlagerbecken eingesetzt werden können. Weiterhin werden Sicherheitsanalysen und Wirksamkeitsbetrachtungen von Maßnahmen zur Prävention und Mitigation von Störfällen durchgeführt, indem gesamte kerntechnische Anlagen simuliert werden. Dabei lernt man viel über Regelwerke und Störfallmanagement.

Viele diese Betätigungsfelder beinhalten dazu, wie bereits erwähnt, Programmierung und Modellierung. Hierbei erlernt man das Handwerkszeug der Digitalisierung für viele Fragestellungen der „Industrie 4.0“. Heruntergebrochen ist eine Karriere in den Themenfeldern der Kerntechnik mit der Verknüpfung zur „Industrie 4.0“ ein zukunftsorientierter Weg. Diese Benefits müssen allerdings gemeinsam von Industrie, Forschung und Politik positiv beleuchtet und an Schüler und Studenten herangetragen werden, damit der politisch gewollte Kompetenzerhalt auch erreicht werden kann.

 atw:

Die KTG ist seit 50 Jahren Anlaufstelle für die Mitarbeiter der kerntechnischen Branche in Deutschland. Von 163 Gründungsmitgliedern ist deren Zahl auf etwa 2000 Mitglieder gestiegen. Das Jubiläum möchten wir natürlich auch als Gelegenheit nutzen, nach vorne zu blicken. Wie sehen Sie beide die Zukunft der KTG?

 Gremme:

Zunächst möchte ich der KTG alles Gute zu Ihrem 50. Geburtstag wünschen und hoffe, dass noch viele runde Geburtstage gefeiert werden können. Zuletzt sind die Mitgliederzahlen leider rückläufig, da wünsche ich mir für die Zukunft der KTG, dass diese Entwicklung aufgehalten werden kann und sich stabile Mitgliederzahlen einstellen. Generell sehe ich der Zukunft der KTG positiv entgegen, da ich denke, dass dieser wissenschaftlich-technische Verein in Deutschland eine zentrale Rolle beim Kompetenzerhalt, auch für die politischen Ziele, einnehmen kann. Dafür ist eine stärkere Zusammenarbeit und Verknüpfung zwischen Industrie, Forschung und Politik notwendig – ein gemeinsames Konzept muss her, um den kerntechnischen Aufgaben in Deutschland begegnen zu können. Hierfür bieten wir, die JG der KTG, gerne unsere Unterstützung an.

 Apel:

Diesen Glückwünschen schließe ich mich natürlich an. Kerntechnik „Made in Germany“ war in der Vergangenheit ein Aushängeschild unserer Branche und wird es bleiben, die Anwendungsfälle werden sich weiter verändern, Schwerpunkte werden sich verschieben. Kerntechnik als Einheit von Wissenschaft (der Lehre und der Forschung) und Technik (Betreiber, Zulieferer) aber auch unsere Gutachter und Behörden haben als wichtigstes Gut (neudeutsch Asset) den Mitarbeiter, den Fachmann, den Experten. Und dies wird für die nächsten Jahre so bleiben. Wenn wir beim Erhalt und der Neugewinnung unserer Mitglieder gute Antworten auf die Frage „Was ist drin für mich“ finden, schaue ich in eine erfolgreiche Zukunft der KTG.

 
 


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